Nichts rollt mehr. Vor der roten Ampel, den Eisenbahnschranken oder auf der Autobahn staut sich der Verkehr. Am Stauende angelangt, geht bei vielen MotorradfahrerInnen ein innerer Dialog los.
Nutze ich die Gasse zwischen zwei Spuren zum Lückensprung, um vorn in die Pole-Position zu kommen, wenn es wieder weiter geht, oder bleibe ich brav in der Reihe stehen? Nicht nur die drohende Verspätung, auch die Geschichte vom LKW, der vielleicht wegen Übermüdung des oder der Fahrerin ungebremst aufs Stauende zurollt, wollen erwogen sein. Für die Zweiradfahrerin am Ende der Schlange wäre so etwas noch ein wenig hoffnungsloser, als mit einer Blechkarosse rundherum. Im Hochsommer lassen der heiße Motor und Auspuff das Warten in der Schlange für MotorradfahrerInnen zur Tortur werden. Ohne Klimaanlage und kühlenden Fahrtwind droht der Absturz ins Nirvana.
MotorradfahrerInnen, die sich am stehenden Verkehr vorbei schlängeln, bewegen sich in Deutschland rechtlich in einer Grauzone. Einerseits gibt es das Recht, sich aus einem Gefahrenbereich zu entfernen, andererseits das Verbot, rechts zu überholen. Wer sich zwischen den Blechkolonnen tastend hindurch bewegt, dem kann es deshalb immer wieder passieren, dass Autofahrende trotz oder gerade wegen vorherigen Blickkontaktes im Spiegel die Lücke zumachen. Nach dem Motto: wenn alle warten, dann auch Du.
Eine Online-Petition (www.openpetition.de) soll jetzt helfen, solche Gefahrenmomente zu reduzieren, die Staudurchfahrung für Motorräder per Gesetzesänderung in Deutschland zu legalisieren. So wie in Österreich das vorsichtige Vorbeifahren am stehenden Verkehr bereits erlaubt ist. Auch in anderen Staaten wie Frankreich, Italien, Niederlande oder Großbritannien ist das Durchschlängeln im Stau gängige Praxis und bleibt ungeahndet.
30.361 UnterstützerInnen haben die Initiative eines Motorradfahrers aus Offenbach von Anfang November bis Anfang Januar unterzeichnet. Die Messlatte für einen Erfolg der Aktion liegt bei 120.000 Unterschriften. Die Initiative ist kein Selbstläufer. Aber wenn jeder/jede von den bisherigen Unterzeichnerinnen noch drei hinzugewinnen würde, wäre es geschafft. Und die Motorradfahrenden hätten gezeigt, dass sie bereit sind, solidarisch zu handeln.